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holfen hatte, wurde er wegen der Namensgleichheit gefragt, ob er einen Kapitän Arno Mes- senbrink kennen würde, der auf einem historischen Foto abge- bildet ist, das vor dem Zweiten Weltkrieg im Jugendstilsalon der „Schaarhörn“ aufgenom- men wurde. „Natürlich konnte ich das bestätigen, denn mein Großvater war vor dem Krieg und auch danach als Kapitän sowohl auf der „Schaarhörn“ als auch auf anderen Schiffen des Wasser- und Schifffahrts- amtes in Cuxhaven beschäftigt – unter anderem auf Elbe 1 bis Elbe 3 und zuletzt auf der „MS Greif“, wo ich als Jugendlicher während der Sommerferien öfter mitfahren durfte“, berich- tet Uwe Messenbrink. „Nach- dem unsere Familie 1953 von Helmstedt nach Cuxhaven gezogen war, hatte ich noch öfter Gelegenheit, zusammen mit meinem Großvater die „Schaarhörn“ zu besuchen – und mich in sie zu verlieben“, erzählt der Kapitän.
Mit ihrem leicht geschwun- genen Rumpf, dem markan- ten gelben Schornstein und dem golden verzierten Bug ist die „Schaarhörn“ ein beson- ders elegant anmutendes Schiff. Der luxuriöse, schnel- le Zweischrauben-Dampfer mit modernster technischer Ausstattung, der 1908 auf der „Hamburg-Steinwärder Schiffswerft und Maschinen- fabrik“ (vormals Janssen & Schmilinsky AG) vom Stapel lief, zählt ganz sicher zu den Schmuckstücken unter den Hamburger Museumsschiffen. Ihr schmuckes Aussehen hat die „Schaarhörn“ nicht ohne Grund: „Der Hamburger Senat wollte ein repräsentatives Schiff, um damit illustre Gäste der Stadt wie z. B. Kaiser Wil- helm II. durch den Hamburger Hafen zu fahren“, weiß Uwe Messenbrink. Tatsächlich sei der Kaiser wohl nie an Bord der „Schaarhörn“ gewesen.
Als das Schiff 1907 in Auf- trag gegeben wurde, befand sich das maritime Hamburg in einem großen Umbruch. Wenige Jahrzehnte nach der Gründung des Freihafens und
„Schaarhörn“ als Peildampfer zur Vermessung von Wasser- tiefen in der Elbmündung ein- setzen. Doch stattdessen wird das stolze Schiff in den ersten Jahren unter Dampf zunächst
Kabarettisten und Malers, bevor er sich sein Pseudonym Joachim Ringelnatz zulegte –, freiwillig zur Marine gemel- det. Er war in verschiedenen norddeutschen Küstenorten stationiert. Seine Erlebnisse hat Joachim Ringelnatz in dem Buch „Als Mariner im Krieg“ geschildert. In Cuxhaven wur- de er 1917 auf der „Schaar- hörn“ zum Leutnant zur See befördert. „Es werden immer noch Lesungen zu Ehren von Ringelnatz auf dem Schiff ver- anstaltet“, erzählt Uwe Mes- senbrink. Besonders beliebt sind die Gedichte, Balladen und Moritaten vom knurrigen Seemann Kuttel Daddeldu, mit denen Joachim Ringel- natz bereits in den 1920er- und 1930er-Jahren Erfolge auf Kabarettbühnen feierte.
Nach dem Ersten Weltkrieg übernahm der Arbeiter- und Soldatenrat in Cuxhaven das Kommando – auch über die „Schaarhörn“, die zeitweilig als Wohn- und Verp egungs- schiff eingesetzt wurde. 1919 wurde der Dampfer vorüber- gehend stillgelegt und an Land gebracht. Erst 1925 wurde die „Schaarhörn“ wieder in Betrieb genommen, um ihrem ursprünglichen Zweck als Peil- und Bereisungsdampfer zu dienen.
Ab März 1945 wurde die „Schaarhörn“ mit ziviler Besat- zung eingesetzt, um Flüchtlin- ge aus Swinemünde, Pillau, Hela, Neufahrwasser, Stolp- münde und Sassnitz über die Ostsee in Richtung Westen zu transportieren. Beide Weltkrie- ge hat die „Schaarhörn“ nahe- zu unversehrt überstanden. Bis 1971 diente der „Schwan der Niederelbe“, wie das elegante Schiff noch heute gern genannt wird, wieder als Vermessungs- schiff ab Cuxhaven zur Ermitt- lung der Gewässertiefen in der Elbmündung. Als der betagte Dampfer stillgelegt und im Januar 1972 zum Abwracken
  Uwe Messenbrink im Maschinenraum der „Schaarhörn”, in dem unter ande- rem die beiden Hauptdampfmaschinen, die Kühlwasserpumpe (Zirkuline), ein dampfbetriebener Generator und die Duplexpumpe untergebracht sind. Foto: Carsten Weede
  Der Namensgeber des Dampfschiffes
 Das Dampfschiff „Schaarhörn“ ist nach der Insel Scharhörn benannt, die im innersten Winkel der Helgoländer Bucht liegt und Teil einer Exklave der Freien und Hansestadt Hamburg ist (Stadtteil Neuwerk). Die Insel gilt als Hamburgs nördlichster Punkt und ist etwa 43 Hektar groß. Scharhörn, das umliegen- de Watt und Seegebiet liegen in der „Zone I“ des Nationalparks
Hamburgisches Wattenmeer und sind ein Geotop von überre- gionaler Bedeutung. Abgesehen von einem Vogelwart ist die Insel unbewohnt und nur über einen Wattwanderweg von Neuwerk aus erreichbar
 der Speicherstadt bescherte der Überseehandel der Freien und Hansestadt goldene Zei- ten. Die Seeschiffe wurden immer größer und daher hatte das Ausbaggern der Fahrrinne höchste Priorität. Die Vertie- fung der Unterelbe auf zehn Meter bei mittlerem Hoch- wasser war gerade abgeschlos- sen. Der Senat beauftragte den Bau zweier Baggerschif- fe und eines Peildampfers, nachdem die Bürgerschaft dafür grünes Licht gegeben hatte. Of ziell will das Amt für Strom und Hafenbau die
als „Bereisungsdampfer“ des Hamburger Senats genutzt. Der Senat hatte sich quasi eine Staatsyacht genehmigt. Doch 1910  iegt der Schwindel auf und die „Schaarhörn“ wird in das damals noch zu Hamburg gehörende Cuxhaven verbannt. Im Ersten Weltkrieg dient das kohlebefeuerte Dampfschiff der kaiserlichen Marine als Hilfs-Minensucher. In dieser Zeit ist auch Joachim Ringel- natz häu g an Bord. Gleich zu Kriegsbeginn hatte sich Hans Gustav Bötticher – so der rich- tige Name des Schriftstellers,
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