Page 43 - SchoenesLeben 68
P. 43

Zusammensetzung ist für Blaudrucker ein gut gehütetes Betriebsgeheimnis aus dem Werkstattbuch der Blaudru- ckerei Heinrich Müller.
Die Ursprünge des Blau- drucks führen nach Indien – dem Land aus dem auch der hochwertige Farbstoff Indigo kommt: „Der Indigo, der das so begehrte und unverwech- selbare Blau liefert, wurde im Zuge des aufblühenden Ostin- dienhandels zuerst in England und Holland bekannt“, weiß Annerose Rathjen. Anfang des 17. Jahrhunderts wurde dieser blaue Farbstoff auch in Deutschland eingeführt und
Berger, Anne Kröger, Hilmer Meinke und Heike Thomas geben den zahlreichen inter- essierten Besuchern im Blau- druckspeicher des Heimatmu- seums Scheeßel seit 1975 gern Einblick in diese historische Handwerkskunst. Darüber hin- aus wird ab dem 21. März im Weberhaus auf dem Meyer- hof die neue Dauerausstellung „Der Blaudruck – Ein Mega- trend über 200 Jahrhunderte“ präsentiert. Museumsdirektor Nils Meyer, der seit Dezember 2017 die Geschicke des Hei- matmuseums (siehe Kasten) leitet, spricht von einer moder- nen Multimedia-Ausstellung
Herstellung von Modeln und dem Anbau von Indigo bis hin zum richtigen Druck und dem anschließenden Blaufärben. Die Ausstellung, die jeweils samstags, sonntags und feier- tags von 11 bis 17 Uhr zu besichtigen ist, ist Bestandteil des Projektes „Die dauerhaf- te Bewahrung, Erhaltung und Vermittlung des Blaudrucks im Heimatmuseum Scheeßel“, welches von der Niedersäch- sischen Sparkassenstiftung, der Sparkasse Scheeßel, der Stiftung Niedersachsen, der VGH-Stiftung, dem Landkreis Rotenburg (Wümme), der Gemeinde Scheeßel und dem Landschaftsverband Stade gefördert wird. Der Eintritt zu der Weltkulturerbe-Werkschau ist frei. „Wir freuen uns aber über jede Spende“, sagt Anne- rose Rathjen.
Natürliche Stoffe, ökologisch unbedenkliche Färbemit- tel und in echter Handarbeit gefertigte Unikate haben der- zeit Konjunktur, weiß das Scheeßeler Blaudrucker Team. „Der Blaudruck erlebt gerade eine Renaissance – was uns natürlich riesig freut“, betont Annerose Rathjen. Ein weite- rer Grund dafür ist sicherlich, dass der Blaudruck in der Sit- zung des Zwischenstaatlichen Ausschusses der Unesco auf Mauritius am 28. November
Im Blaudruckspeicher in Scheeßel werden Hunderte von unterschied- lichen Modeln aufbewahrt.
2018 als Immaterielles Kultur- erbe der Menschheit anerkannt worden ist. Bei einem Festakt am 4. Juni 2019 im Berliner Museum Europäischer Kultu- ren wurden die Urkunden an die deutschen Blaudruckwerk- stätten verliehen. „Aus Schee- ßel sind wir mit einer Delegati- on von 12 Personen nach Berlin gefahren, um unsere Auszeich- nung in diesem feierlichen Rahmen entgegen zu nehmen“, erzählt Annerose Rathjen. Die umtriebige Blaudruckerin vom Heimatverein Scheeßel war im Vorfeld zu zahlreichen inter- nationalen Workshops, Sitzun- gen und Treffen mit anderen
  Stilisierte  orale Muster werden gern für Tischdecken verwendet.
verdrängte durch seine bessere Qualität schon bald den heimi- schen Färberwaid. Bei beiden P anzen handelt es sich um strauchartige Gewächse, aus deren abgeernteten Trieben der blaue Farbstoff gewonnen wur- de. „Indigo wird nicht einfach geerntet, sondern aufwendig hergestellt. Wer mehr darüber wissen will, sollte unsere neue Dauerausstellung besuchen“, sagt Annerose Rathjen und zeigt einen Brocken Indigo, der wie ein blauer Stein aus- sieht.
In Scheeßel hat das Färben mit Indigo eine lange Tradition. Das Team der ehrenamtlichen Blaudruckerinnen im Heimat- verein p egt und bewahrt diese Tradition: Annerose Rathjen, Ilse Riebesell, Renate Alb- recht, Helga Behrens, Sabine
mit „Wow-Effekt“. Ein beson- derer Hingucker ist die illu- minierte, 2,6 Meter hohe und vier Meter breite Wandvitrine, in der rund 60 Modeln, sozu- sagen der Schatz eines jeden Blaufärbers, ausgestellt sind. Neben der lokalen Geschichte der Blaudruckereien in Schee- ßel wird auch die Bedeutung der Handelswege zwischen Indien und Nordeuropa durch dieenglischeEastIndiaCom- pany und die niederländischen Vereinigten Ostindischen Kompanie Anfang des 17. Jahr- hunderts betrachtet. Bei einem Rundgang können Besucher anhand von Schautafeln, Film- sequenzen und Exponaten das gesamte Spektrum des Blau- druckerhandwerks kennen- lernen – angefangen bei der Textilherstellung über die
Annerose Ratjen (von links), Ilse Riebesell, Museumsleiter Nils Meyer und der Vorsitzende des Heimatvereins „Niedersachsen“ Scheeßel e.V. Uwe Wahlers sind stolz auf die Anerkennung des Blaudrucks als immaterielles Kulturerbe der Menschheit durch die Unesco.
   Frühjahr 2020
43
 




















































































   41   42   43   44   45