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Ilse Riebesell zeigt eine der aufwendig gearbeiteten Modeln in der Blaudruckwerkstatt des Heimatmuseums Scheeßel.
Fotos: Carsten Weede
 42 42 Sommer 2019
  Altes Handwerk
as laue une von Carsten Weede
Im November 2018 wurde der Blaudruck von der Unesco als Immaterielles Kulturerbe der Menschheit ausgezeichnet. Im Heimatmuseum Scheeßel lässt sich dieses fast vergessene Handwerk erleben.
   Annerose Rathjen und Ilse Riebesell machen heute wieder einmal blau. Allerdings bedeu- tet das nicht, dass sie irgend- welchen Verp ichtungen nicht nachkommen oder ohne Grund der Arbeit fernbleiben – ganz im Gegenteil. Die beiden rüh- rigen Frauen gehören zu den Aktiven im Blaudruck-Team des Scheeßeler Heimatvereins „Niedersachsen“ e.V. Die Blau- druckerinnen färben Natur- stoffe mit Indigo. Heute wollen sie wieder einmal Leinen in die Küpe mit der Färber üssigkeit tauchen. Der Begriff „Küpe“ bezeichnet ebenso das drei Meter tief in den Boden einge- lassene Tauchbad, in dem die Stoffe gefärbt werden, wie das Farbbad selbst. Die Flüssigkeit enthält Indigo-Farbstoff, Kalk und Eisenvitriol. Der Stoff wird auf sogenannte Sternrah- men aus Eisen gespannt und sechs bis zehnmal in die kalte Küpe getaucht – jeweils zwan- zig Minuten eintauchen und anschließend zwanzig Minu- ten an der Luft einwirken las- sen. Wer bei diesem Wechsel- bad zusieht, erlebt sein „blaues Wunder“. Kommt der Stoff aus der Flüssigkeit, ist er zunächst gelb und grün. Erst durch Oxi- dation an der Luft wird er nach ein paar Minuten hellblau. „Je
häu ger dieser Vorgang wie- derholt wird, desto dunkler wird der blaue Farbton. Der Ausdruck ’ein blaues Wunder erleben‘ kommt tatsächlich aus der Blaudruckerei“, erläutert Annerose Rathjen.
Der Blaudruck ist eine jahr- hundertealte Technik der Stoff- veredelung, bei der Leinen, Baumwollstoffe oder Seide mit Modeln so bedruckt werden, dass wunderschöne blau-wei- ße Muster entstehen. „Mitt- lerweile zählt der Blaudruck sogar zum immateriellen Kul- turerbe der Menschheit“, sagt Annerose Rathjen. Beim Blau- druck handele es sich um eine sogenannte Reservetechnik, bei der weiße Muster kunstvoll auf Stoffe gedruckt werden, ähnlich wie beim Batiken, erklärt die Blaudruckerin. Das heißt, die Stellen, auf denen mit einem Druckstempel (der Model) zuvor eine zäh-kleb- rige, dick üssige, schwach grünlich Masse, der sogenann- te Papp, aufgebracht wurde, sind „reserviert“ und bleiben beim späteren Färben weiß. „Unseren Druck-Papp mischen wir selber an“, sagt Ilse Riebe- sell. Wichtige Hauptbestand- teile seien Gummi Arabicum, Kaolin, Grünspan, Alaun und Blaustein. Die genaue
  

























































































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