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 te Kolostral- oder Biestmilch, enthält nämlich lebenswich- tige Antikörper gegen ver- schiedene Schafkrankheiten“, erklärt die erfahrene Schäferin.
Sie betreibe Landwirtschaft, wie sie früher üblich war: „Im Einklang mit der Natur und nicht gegen sie.“ Die Liebe zur Natur begleitet Andrea Funcke schon ihr Leben lang: „Schon in Jugendjahren habe ich Brut- vögel und Biotope kartiert, dann an der TU Berlin Land- schaftsplanung studiert, um die Welt zu verbessern“, sagt die Landwirtin. Auftraggeber für Landschaftsplaner seien jedoch meistens diejenigen, die einen „Eingriff“ in die Natur planen, daher habe „das mit der Weltverbesserung nicht geklappt“ und stattdessen habe sie dann das „richtige“ Leben auf Bio-Höfen, in Schäfereien, Imkereien und Senioren- und Krankenp egestationen ken- nengelernt. Wo immer mög- lich, sammelte sie dabei altes, vom Vergessen bedrohtes Wis- sen, arbeitete dafür unter ande- rem auch als Altenp egerin auf Dithmarscher Höfen.
„Aus diesen Erfahrungen
Gerade für Kinder ist der Funckenhof ein Paradies. Unter Anleitung von Andrea Funcke dürfen sie Lämmer mit der Flasche tränken.
lens, es sei eine Frage der Zeit. Immer und überall ist etwas zu tun oder aufzupassen, Gere- gelte Arbeitszeiten und Urlaub gibt es nicht. Denn zusätzlich zur Landwirtschaft müsse sie Geld verdienen, um ihre Kos- ten zu decken: „Für Pacht, Ver- sicherungen, Strom, Steuern, Beiträge für berufsständische Organisationen, Genossen- schaften und die Tierseuchen- kasse muss ich jeden Monat rund 1000 Euro erwirtschaf- ten“, sagt die Kleinbäuerin. Mit Landwirtschaft alleine könne sie das nicht – trotz einer Sieben-Tage-Woche: „Denn leider haben die land- wirtschaftlichen Produkte schon lange nicht mehr den Wert, den sie früher einmal hat- ten“. Das sei auch der Grund dafür, „dass in Deutschland so unglaublich viel Lebensmit- tel weggeschmissen werden“. Überhaupt werde in unserer Konsumgesellschaft viel zu viel Müll produziert und zu viel weggeworfen, was durch- aus noch zu gebrauchen wäre.
Für Klima und Umwelt sei die Selbstversorgungs- oder Sub- sistenzwirtschaft viel scho- nender als die hierzulande vor- herrschende industrielle Tier- haltung und Landbewirtschaf- tung: „Subsistenzwirtschaft ist eine sehr ursprüngliche, jahr- hundertealte Landwirtschaft, bei der im Mittelpunkt steht, dass sich der Mensch selbst versorgt und dabei möglichst sparsam Energie einsetzt“, erklärt Andrea Funcke. Sub- sistenzwirtschaft sei weitaus mehr als das Anp anzen und Essen von Gemüse aus dem eigenen Garten: „Es geht um eine ganzheitliche Sichtweise auf das Leben. Bei der Sub- sistenzwirtschaft fallen kaum Kosten für die Allgemeinheit an. Es wird kein Grundwas- ser vergiftet und kein Boden zerstört. Menschen erkranken nicht am Spritzmittelgebrauch
  Andrea Funcke will "wirklich alles" von ihren Schafen verwerten. "Das hat etwas mit dem Respekt gegen- über dem Tier zu tun", sagt sie.
entstanden seit 1992 erst im Umweltzentrum Karlshöhe in Hamburg und dann im Muse- umsdorf Hamburg-Volksdorf viele Seminare und Ferienpro- gramme zum ursprünglichen Leben. Im Bronzezeitlichen Freilichtmuseum Hitzacker habe ich diese Thematik ab 2005 noch vertieft“, berichtet Andrea Funcke. Einige Jah- re fuhr sie zudem mit ihrem „Mobilen Mitmach-Museum“ in Kindergärten, Jugendher- bergen und Schulen, bis das MoMiMu dann sesshaft und zum Funckenhof wurde.
„Im 18. Jahrhundert, als die- ser kleine Hof noch ganz neu war, konnten drei Generatio- nen von einem halben Hek- tar Ackerland, einem halben Hektar Wiese, einer Kuh, zwei Schweinen und Ge ügel leben“, sagt Andrea Funcke. Die Menschen erzeugten auf ihrem Hof alles selbst, was sie zum Leben brauchten. „Sie konnten sogar noch Milchpro- dukte verkaufen. Früher hat
praktisch der ganze Hof von einer Kuh gelebt“, weiß die Landwirtin. Heute wird der Hof mit inzwischen rund zehn Hektar landwirtschaftlicher Nutz äche nur von einer hal- ben Generation bewirtschaf- tet, aber das Prinzip ist immer noch das gleiche: Das heißt, an erster Stelle steht die Selbst- versorgung. Schafe, Esel, Gän- se, Hühner, Enten, Hunde und Katzen bevölkern den Hof. Dabei entstehen Mist, der für den Garten kompostiert wird, Wolle, Felle, Fleisch, Wurst, Käse, Joghurt, Eier, Gemüse, Kräuter, Tees, Blumen, Heu, Stoffe, Kleidung, Medizin, Wärme. Das, was über den Eigenbedarf hinaus geht – und nach dem Gesetz erlaubt ist, („was dann nicht mehr ganz so viel ist“) – kann verkauft oder getauscht werden.
Wenn sie wollte, könnte sie tat- sächlich alles selbst herstellen, was sie zum Leben braucht, sagt Andrea Funcke. Doch es sei gar keine Frage des Wol-
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