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 Der Genusskalender
 er olunder – ielfalt pur von Emily Weede
  „Ringel, Ringel, Reihe, sind wir Kinder dreie, sitzen unterm Hollerbusch, machen alle Husch, Husch, Husch!“
 Zeichnung: Ralph Bühr
Diesen Kindervers kennt auch heute noch fast jeder. Tatsächlich ist es immer etwas Besonderes, als Kind ganz geborgen unter einem Hollerbusch zu sitzen. Früher standen in fast jedem Garten Holler- oder Flieder- büsche, unter denen die Kinder spielen konnten. Holler, Holder, Eller, Elderbaum, Eiderbaum, Fliederbeere - Holunder hat viele Namen. Die Germanen verehrten den Strauch als heilig, denn sie glaubten, dass darin Freya (auch Holla oder Hulda, die Göt- tin der Liebe und der Fruchtbarkeit wohnt. Holla kennen wir alle als „Frau Holle“ aus Grimms Märchen. Hol- la wurde als Hausgöttin besonders in Bayern, Schwaben und dem Elsass verehrt. Warum ausgerechnet dieser mehr als bescheidene Busch einer Liebesgöt- tin als Wohnort zuge- dacht wurde, weiß wohl keiner, denn besonders ansehnlich ist er eigent- lich nicht. Nur wenn er blüht, besitzt er eine
stille Schönheit, und es wird einem klar, dass so ein Strauch durchaus etwas Göttliches haben kann.
Der anspruchslose Holun- derstrauch ist ein Geißblatt- gewächs und gedeiht selbst auf kargen Sandböden. Heute wachsen die Büsche, die im Frühjahr üppig blühen, meist nur noch an Wegrändern. Aus den zartgelben Blüten lassen sich wunderbare Sachen wie Sirup, Limonade, Parfait und Gebäck herstellen. Im Herbst werden die Fliederbeeren geerntet, aus denen sich lecke- re Suppe und Saft machen lassen. Eigentlich kann man vom Hollerbusch alles verwer- ten. Nicht nur aus den Blüten und Beeren lassen sich lecke- re Rezepte zaubern, auch aus den Blättern, der Rinde und den Wurzeln lassen sich wirk- same Heiltees zubereiten. Der Holunder ist tatsächlich eine kleine Hausapotheke im Gar- ten und am Wegesrand. Bis zu neun Meter hoch kann der Hol- lerbusch werden und durchaus mehr als 100 Jahre alt. Die Blätter wirken abführend und blutreinigend. Sie sollten vor der Blüte im zeitigen Frühjahr gep ückt werden. Getrocknet und luftdicht aufbewahrt, kann man sie bis zur neuen Ernte gebrauchen. Holunderrinde
 82 Frühjahr 2020



























































































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